Christian Goldbach war ein preußischer Mathematiker. Er wurde am 18. März 1690 in Königsberg, Brandenburg-Preußen (heute Kaliningrad, Russland), geboren und starb am 20. November 1764 in Moskau. Er wuchs als Sohn eines protestantischen Pfarrers in der ostpreußischen Garnisons- und Universitätsstadt auf, wo sein Vater als Stadtpfarrer und Professor für Geschichte und Rhetorik tätig war.
Frühe Jahre und akademische Ausbildung
Goldbach besuchte die Universität in Königsberg und studierte dort hauptsächlich Rechtswissenschaften und Medizin, beschäftigte sich aber auch mit Mathematik. Seine akademische Laufbahn war von Anfang an von einer bemerkenswerten Vielseitigkeit geprägt, die sich später in seinen weitreichenden wissenschaftlichen Interessen widerspiegeln sollte.
Die prägenden Bildungsreisen durch Europa
Nach Abschluss seiner Studien unternahm Goldbach von 1710 bis 1724 ausgedehnte Bildungsreisen durch Europa, bei denen er andere deutsche Staaten, England, die Niederlande, Italien und Frankreich besuchte und viele berühmte Mathematiker seiner Zeit traf, darunter Gottfried Leibniz, Leonhard Euler und Nicholas I Bernoulli.
1711 traf er in Leipzig Leibniz, und die beiden führten anschließend eine Korrespondenz. 1713 besuchte er kurzzeitig die Oxford University, wo er bei John Wallis und Isaac Newton Mathematik studierte. Diese Begegnungen mit den führenden Gelehrten seiner Zeit waren entscheidend für Goldbachs wachsendes Interesse an der Mathematik.
Goldbachs Reisen förderten auch sein Interesse an Philologie, Archäologie, Metaphysik, Ballistik und Medizin. Diese breite Interessenspalette sollte ihn sein Leben lang begleiten und machte ihn zu einem wahren Universalgelehrten der Aufklärung.
Der Weg nach St. Petersburg
1724 kehrte Goldbach nach Königsberg zurück, wo er zwei Personen traf, die sein Leben verändern sollten: Georg Bernhard Bilfinger und Jakob Hermann. Bilfinger war ein deutscher Philosoph, Mathematiker und Staatsmann, der Professor für Moralphilosophie und Mathematik in Tübingen gewesen war, aber wegen einer Anklage wegen Atheismus entlassen worden war. Die Anklage entstand durch seine Verbindung mit dem Philosophen Christian Wolff, der dann half zu arrangieren, dass Bilfinger an der Gründung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (später St. Petersburger Akademie der Wissenschaften) beteiligt sein sollte.
1725 folgte Goldbach Bilfinger und Hermann an die neu eröffnete St. Petersburger Akademie der Wissenschaften und wurde als Professor für Mathematik und Historiker der Akademie angestellt. Er erhielt einen Fünfjahresvertrag und dokumentierte als Historiker jede Akademiesitzung von der Eröffnung der Schule 1725 bis Januar 1728.
Zusammenarbeit mit bedeutenden Mathematikern
An der Akademie arbeitete Goldbach mit berühmten Mathematikern wie Leonhard Euler, Daniel Bernoulli, Johann Bernoulli und Jean le Rond d’Alembert zusammen. Goldbach spielte auch eine Rolle bei Eulers Entscheidung, akademisch Mathematik statt Medizin zu verfolgen, was die Mathematik in den 1730er Jahren zum führenden Forschungsgebiet der Akademie machte.
Die Freundschaft und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Goldbach und Euler sollte zu einer der fruchtbarsten mathematischen Korrespondenzen des 18. Jahrhunderts werden. Ihre Korrespondenz umfasste 196 Briefe über 35 Jahre, geschrieben in Latein, Deutsch und Französisch.
Aufstieg am russischen Hof
1728, als Peter II. Zar von Russland wurde, wurde Goldbach zum Erzieher von Peter II. und seiner Cousine Anna ernannt. Peter II. verlegte 1729 den russischen Hof von St. Petersburg nach Moskau, und Goldbach folgte ihm dorthin.
Goldbach begann 1729 eine Korrespondenz mit Euler, in der einige von Goldbachs wichtigsten mathematischen Beiträgen zu finden sind. Diese Briefe sollten später als Quelle für einige der bedeutendsten Entwicklungen in der Zahlentheorie des 18. Jahrhunderts dienen.
Nach Peters II. Tod im Jahr 1730 beendete Goldbach seine Lehrtätigkeit, unterstützte aber weiterhin Kaiserin Anna. 1732 kehrte Goldbach an die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften zurück und blieb in der russischen Regierung, als Anna den Hof wieder nach St. Petersburg verlegte.
Administrative Tätigkeiten und Regierungsdienst
1737 übernahmen Goldbach und J.D. Schumacher die Verwaltung der Akademie. Goldbach übernahm auch Pflichten am russischen Hof unter Kaiserin Anna und behielt seinen Einfluss am Hof nach Annas Tod und während der Herrschaft von Kaiserin Elisabeth.
1742 trat er in das russische Außenministerium ein und trat von der Akademie zurück. Diese Position bedeutete einen weiteren Aufstieg in der russischen Regierungshierarchie und zeugt von dem hohen Ansehen, das Goldbach am Hof genoss.
Goldbach erhielt Land und eine Gehaltserhöhung für seine gute Arbeit und seinen Aufstieg in der russischen Regierung. 1760 erstellte Goldbach neue Richtlinien für die Erziehung der königlichen Kinder, die 100 Jahre lang in Kraft bleiben sollten.
Mathematische Beiträge und die berühmte Vermutung
Goldbachs bedeutendster Beitrag zur Mathematik ist zweifellos die nach ihm benannte Vermutung. Die starke (oder binäre) Goldbachsche Vermutung lautet: Jede gerade Zahl, die größer als 2 ist, ist Summe zweier Primzahlen. Goldbach stellte die Vermutung, die seinen Namen trägt, erstmals in einem Brief an den Schweizer Mathematiker Leonhard Euler im Jahr 1742 auf.
In der ursprünglichen Formulierung schrieb Goldbach, dass „jede Zahl größer als 2 ein Aggregat von drei Primzahlen ist.“ Da Mathematiker zu Goldbachs Zeit 1 als Primzahl betrachteten, wird Goldbachs Vermutung gewöhnlich in modernen Begriffen umformuliert als: Jede gerade natürliche Zahl größer als 2 ist gleich der Summe zweier Primzahlen.
Mit dieser Vermutung befassten sich bis in die heutige Zeit viele Zahlentheoretiker, ohne sie bisher bewiesen oder widerlegt zu haben. Die Vermutung hat sich als eines der hartnäckigsten ungelösten Probleme der Mathematik erwiesen.
Fortschritte bei der Lösung
Der erste Durchbruch bei dem Bemühen, Goldbachs Vermutung zu beweisen, erfolgte 1930, als der sowjetische Mathematiker Lev Genrikhovich Shnirelman bewies, dass jede natürliche Zahl als Summe von nicht mehr als 20 Primzahlen ausgedrückt werden kann.
1937 bewies Iwan Matwejewitsch Winogradow, dass jede ungerade Zahl, die größer als eine bestimmte Konstante ist, Summe dreier Primzahlen ist (Satz von Winogradow; schwache Goldbachsche Vermutung für den Fall genügend großer Zahlen).
Die jüngste Verfeinerung kam 1973, als der chinesische Mathematiker Chen Jing Run bewies, dass jede hinreichend große gerade natürliche Zahl die Summe einer Primzahl und eines Produkts von höchstens zwei Primzahlen ist.
Am 13. Mai 2013 kündigte der peruanische Mathematiker Harald Helfgott einen mutmaßlichen Beweis der ternären Goldbachschen Vermutung für alle Zahlen an, die größer als 10^30 sind.
Weitere mathematische Arbeiten
Goldbach studierte und bewies auch einige Theoreme über perfekte Potenzen, wie das Goldbach-Euler-Theorem, und leistete mehrere bemerkenswerte Beiträge zur Analysis. Er bewies auch ein Ergebnis bezüglich Fermat-Zahlen, das Goldbachs Theorem genannt wird.
Goldbach leistete auch bemerkenswerte Beiträge zur Theorie der Kurven, zu unendlichen Reihen und zur Integration von Differentialgleichungen. Er veröffentlichte Arbeiten über unendliche Reihen, darunter „De transformatione serierum“ (1732), die eine Methode zur Transformation einer Reihe in eine andere einführte, während die Summe der Reihe fest blieb.
Sprachliche Vielseitigkeit und kulturelle Bedeutung
Christian Goldbach war mehrsprachig – er schrieb sein Tagebuch auf Deutsch und Latein, seine Briefe wurden auf Deutsch, Latein, Französisch und Italienisch verfasst und für offizielle Dokumente verwendete er Russisch, Deutsch und Latein. Diese außergewöhnliche Sprachbegabung ermöglichte es ihm, mit Gelehrten aus ganz Europa zu korrespondieren und als Vermittler zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Traditionen zu fungieren.
Die Bedeutung der Euler-Goldbach-Korrespondenz
Es ist Goldbachs und Eulers Korrespondenz, die einige von Goldbachs wichtigsten Beiträgen zur Mathematik, insbesondere zur Zahlentheorie, enthält. Goldbach war der führende Einfluss auf Eulers Interesse und Arbeit in der Zahlentheorie.
Goldbach diskutierte in den 1730er Jahren Fermats Vermutung mit Euler und hielt ihn durch seine Briefe auf die Zahlentheorie fokussiert. Euler bot anschließend einen Beweis für die Vermutung an und würdigte Goldbach dafür, ihn in das Teilgebiet eingeführt zu haben.
Euler schrieb anschließend 560 Schriften, die posthum in vier Bänden der Opera omnia veröffentlicht wurden, wobei Goldbachs Einfluss einige der Schriften leitete.
Vermächtnis und historische Einordnung
Goldbachs berühmte Vermutung und seine Schriften mit Euler beweisen, dass er einer von wenigen Mathematikern war, die die komplexe Zahlentheorie im Lichte von Fermats revolutionären Ideen zu diesem Thema verstanden.
Die Goldbachsche Vermutung hat nicht nur die mathematische Forschung über Jahrhunderte hinweg inspiriert, sondern ist auch zu einem kulturellen Phänomen geworden. Der französisch-schweizerische Film „Die Gleichung ihres Lebens“ (Le théorème de Marguerite) aus dem Jahr 2023 handelt von einer Doktorandin der École normale supérieure, die den Beweis der Goldbach-Vermutungen als Promotionsthema hat.
Tod und Nachleben
Christian Goldbach starb am 20. November 1764 im Alter von 74 Jahren in Moskau. Sein Tod markierte das Ende eines bemerkenswerten Lebens, das zwischen mathematischer Forschung, diplomatischem Dienst und pädagogischer Tätigkeit aufgeteilt war.
Goldbachs Vermächtnis lebt nicht nur in seiner berühmten Vermutung weiter, sondern auch in seinem umfangreichen Briefwechsel, der wertvolle Einblicke in die Entwicklung der Mathematik im 18. Jahrhundert bietet. Seine Korrespondenz mit Euler gilt als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Briefwechsel der Aufklärung und dokumentiert die Entstehung grundlegender Ideen in der Zahlentheorie.
Die Goldbachsche Vermutung bleibt eines der großen ungelösten Probleme der Mathematik und inspiriert weiterhin Generationen von Mathematikern. Sie steht als Monument für die Kraft einfacher mathematischer Aussagen, die trotz ihrer scheinbaren Einfachheit die brillantesten Köpfe über Jahrhunderte herausfordern können.
Quellen:
- MacTutor History of Mathematics Archive – University of St Andrews
- Correspondence of Leonhard Euler with Christian Goldbach – Springer Link
- Encyclopedia Britannica – Christian Goldbach





